schachverein bad mergentheim

Bad Mergentheimer Strategen müssen sich den beiden Top-Teams Baden-Baden und Deizisau geschlagen geben.

Nach tollem Saisonstart mit drei Zählern aus dem ersten Doppelspieltag erwartete die Schachfreunde Anderssen in Deizisau mit Rekordmeister Baden-Baden und den Gastgebern zwei ganz schwere Aufgaben. Gespannt war man, wen diese beiden Teams an Weltklassespielern ins Rennen schicken würden.

Spätestens mit Veröffentlichung der Baden-Badener Aufstellung war klar, dass OSG-Chef Thomas Bittner Ernst machte. Wie angekündigt, wurde die ohnehin schon mit diversen Legenden gespickte Truppe nochmals verstärkt. Mit Großmeister GM Maxime Vachier-Lagrave wurde ein Vertreter der aktuellen Weltelite ins Rennen geschickt. Offensichtlich wollte man gegen Aufsteiger Bad Mergentheim und dessen Reisepartner Dresden, die beide prächtig in die Saison gestartet waren, kein Risiko eingehen.

Auch der Bad Mergentheimer Mannschaftsführer Johannes Raps ließ ein wenig rotieren. Neuzugang GM Tomas Laurusas sowie IM Alexander Gasthofer kamen zu ihren ersten Einsätzen. Der Matchplan der Samstagsbegegnung war schnell klar – wenn gegen diesen übermächtigen Gegner etwas möglich ist, dann am ehesten an den hinteren Brettern, an denen auf Baden-Badener Seite erneut zwei hochtalentierte deutsche Nachwuchsspieler zum Einsatz kamen. Dass dies nicht einfach werden würde, war allen bewusst. Schließlich waren die Jungtalente am ersten Doppelspieltag die Matchwinner aufseiten des Rekordmeisters.

Um es vorwegzunehmen, der Plan ging nicht auf. Dies lag zum einen daran, dass man am Spitzenbrett frühzeitig in Rückstand geriet. Zwar hatte sich GM Valeriy Kazakovskiy gegen GM Maxime Vachier-Lagrave in der Eröffnung eine gute Position erarbeitet, was gegen den Grünfeld-Indisch-Experten durchaus bemerkenswert ist. Im Mittelspiel zeigte der ehemalige Weltranglistenzweite dann seine ganze Klasse und ließ dem Bad Mergentheimer keine Chance.

Auch an den hinteren Brettern lief nicht alles wie erhofft. IM Alexander Gasthofer riskierte an Brett acht einiges, um gegen den 16-jährigen FM Timur Kocharin die Partie nicht frühzeitig verflachen zu lassen. Allerdings mündete dieses Unterfangen in ein nachteiliges Endspiel, das dem Bad Mergentheimer einige Mühe abverlangte, um doch noch die Punkteteilung zu erlangen. Schlimmer erwischte es IM Lukas Vlasak an Brett sieben. Beim Versuch, eine verheißungsvolle Stellung in einen vollen Punkt umzumünzen, wurde er vom ebenfalls 16-jährigen FM Bennet Hagner sehenswert ausgekontert. Dass dies kein Zufall war, untermauerte das Baden-Badener Nachwuchstalent mit einem weiteren Sieg am Sonntag, der ihn mit 4 aus 4 zum aktuellen Top-Scorer der Schachbundesliga machte.

Eine überzeugende Vorstellung bot Neuzugang GM Tomas Laurusas an Brett zwei. Der Litauer trotzte dem ehemaligen Weltmeister GM Rustam Kasimdzhanov ein ungefährdetes Remis ab. Ihm gleich tat es IM Fy Rakotomaharo, der an Brett drei gegen den 270 ELO-Punkte höher eingestuften GM Bogdan-Daniel Deac einen stark herausgespielten halben Punkt beisteuerte.

Als an Brett fünf GM Vyacheslav Ikonnikov gegen GM Alexei Shirov - Vize-Weltmeister von 2000 - aufgeben musste, war die erste Mannschaftsniederlage der Schachfreunde seit März 2023 besiegelt. Dass diese nicht noch höher ausfiel, ist zum einen GM Petr Neuman an Brett sechs zu verdanken. In einer taktisch geprägten Partie erkämpfte er gegen GM Sergei Movsesian, seit 2005 fester Bestandteil der Rekordmeister-Mannschaft, noch ein Remis.

Auch die am längsten laufende Partie an Brett vier stimmte den mitgereisten Bad Mergentheimer Anhang etwas versöhnlich. Dort setzte der achtfache französischen Meister GM Étienne Bacrot all seine Erfahrung ein, um seinen Landsmann IM Timothé Razafindratsima zu bezwingen. Doch der amtierende U18-Europameister zeigte eine reife Leistung, wehrte sämtliche Gewinnversuche erfolgreich ab und steuerte noch einen halben Punkt für die Schachfreunde Anderssen bei.

Unter dem Strich war es dennoch eine Lehrstunde des Rekordmeisters, der an keinem Brett in Bedrängnis geriet und andererseits die sich bietenden Gewinnchancen konsequent nutzte. Die Bad Mergentheimer Strategen hatten zwar viel Gegenwehr geleistet, verhindern konnten die 2,5:5,5-Niederlage aber nicht.

In der Sonntagsbegegnung gegen Gastgeber Deizisau waren die Vorzeichen kaum einfacher. Der Aufsteiger aus dem Taubertal sah sich einer Heimmannschaft in Bestbesetzung aus acht Großmeistern mit einem ELO-Durchschnitt von 2610 gegenüber - was einem mittleren ELO-Unterschied von etwa 140 Punkten entsprach. Im Gegensatz zu den Kurstädtern hatte Deizisau seine Samstagsbegegnung gegen Reisepartner Dresden klar mit 5,5:2,5 gewonnen.

Der Aufsteiger zeigte sich zunächst unbeeindruckt und es entwickelte sich ein ausgeglichener Kampf. In rekordverdächtiger Zeit endete die Partie an Brett acht. Hier kam es zwischen dem Bad Mergentheimer IM Alexander Gasthofer und dem Deizisauer GM Andreas Heimann bereits in der Eröffnung zu einer Zugwiederholung, der keiner der beiden ausweichen wollte.

Auch die Begegnungen an den beiden vorderen Brettern waren von Respekt geprägt. Hier standen sich zwei litauische gegen zwei deutsche Nationalspieler gegenüber. Von diversen Begegnungen der Nationalmannschaften kennt man sich mittlerweile bestens.

Am Spitzenbrett bekam es GM Valeriy Kazakovskiy heute mit der deutschen Nummer zwei, GM Dmitrij Kollars, zu tun. In einer italienischen Partie erlangte keiner der beiden entscheidenden Vorteil, so dass ein Remis der logische Schluss war. Auch die Partie an Brett zwei zwischen GM Tomas Laurusas gegen die deutsche Nummer drei, GM Matthias Blübaum, verließ nie die Remisbreite. Wenig später endete auch die Partie an Brett sieben zwischen IM Lukas Vlasak und dem früheren deutschen Nationalspieler GM Rustem Dautov in einem verflachten Schwerfigurenendspiel remis.

Da sich zu diesem Zeitpunkt Probleme der beiden Bad Mergentheimer IM Fy Rakotomaharo (Brett drei) sowie GM Vyacheslav Ikonnikov (Brett fünf) andeuteten, galt es, in den anderen beiden noch laufenden Partien verstärkt Gewinnversuche zu unternehmen.

An Brett sechs schien dies dem an diesem Wochenende gut aufgelegten GM Petr Neuman durchaus zu gelingen. Sein Gegner GM Tamas Banusz wehrte sich allerdings geschickt und konnte sich in ein ausgeglichenes Turmendspiel retten. Auch an Brett vier suchte IM Timothé Razafindratsima nach Verwicklungen, denen sein nominell deutlich stärkerer Gegner GM Benjamin Gledura beständig auswich und kein Risiko einging.

Nach sechs Punkteteilungen stand es somit 3:3. Da die beiden noch laufenden Partien nachteilig für die Kurstädter standen, hing der Kampf am seidenen Faden. An Brett fünf geschah dann das, was alle befürchteten. GM Vyacheslav Ikonnikov wehrte sich zwar lange, musste die Überlegenheit seines Gegenübers GM Gata Kamsky schlussendlich doch anerkennen.

Beim Stand von 3:4 und komplizierter Stellung lag es nun an IM Fy Rakotomaharo, vielleicht doch noch den Ausgleich zu erzielen. Dem Bad Mergentheimer war es bei beiderseits schwindender Bedenkzeit tatsächlich gelungen, aus einer nachteiligen Stellung heraus Gegendrohungen zu kreieren. Es wurde noch einmal spannend. Schlussendlich war aber alle Hoffnung vergebens, denn der frischgebackene Vize-Europameister GM Daniel Dardha in Deizisauer Diensten behielt den Überblick und besiegelte mit einem vollen Punkt die Bad Mergentheimer 3:5 Niederlage.

Nach den beiden Niederlagen finden sich die Schachfreunde Anderssen mit 3:5 Mannschaftspunkten auf dem zehnten Tabellenplatz wieder. Zwar konnten gegen die beiden Top-Teams, die sich an diesem Wochenende an die Tabellenspitze setzten, durchaus positive Akzente gesetzt werden. Um Zählbares zu erreichen, hätte es gegen diese Gegnerschaft allerdings ein kleines Wunder gebraucht. An Positivem bleibt dennoch, dass man sich durchaus teuer verkauft hat. Neuzugang GM Tomas Laurusas hat bei seinem ersten Einsatz voll überzeugt und sich sehr gut ins Team eingefunden.

Die kommenden Aufgaben können somit einigermaßen zuversichtlich angegangen werden. Weiter geht es am Samstag, 11. Januar, vor heimischem Publikum gegen den neunmaligen Deutschen Meister FC Bayern München. Am darauffolgenden Sonntag, 12. Januar, erwartet die Bad Mergentheimer das Duell gegen Mitaufsteiger SV Deggendorf.

08.12.2024