schachverein bad mergentheim

Jetzt wird es doch ziemlich eng

Nach einem hervorragenden Saisonauftakt, erwarteten Niederlagen gegen Spitzenteams und immerhin einem Punkt in der Heimrunde in Löffelstelzen reisten die Schachfreunde Anderssen zuversichtlich zum vierten Doppelspieltag der Schach-Bundesliga Richtung Bremen zum Ausrichter SK Kirchweyhe. Diese am Sonntag und Mülheim an der Ruhr am Samstag waren die beiden Gegner auf Augenhöhe, gegen die im Kampf gegen den Abstieg in Summe zwei Punkte eingeplant waren.

Obwohl schon die Anfahrt mit einigen Stunden im Stau nicht plangemäß verlief, waren die Schachfreunde zu Beginn des Spiels gegen Mülheim noch zuversichtlich. Teammanager Klaus Kistner konnte seine Start-Acht nahezu wie geplant an die Bretter bringen, lediglich Fy Rakotomaharo musste kurzfristig durch den Jugendspieler Jachym Nemec ersetzt werden. Nemec wartete zuletzt mit starken Leistungen auf und sollte ein durchaus adäquater Ersatz sein. Mülheim dagegen bot alle ihre Reserven auf, trat in Bestbesetzung an und war dennoch nur leichter Favorit.

Alle Bad Mergentheimer Spieler nahmen an den Brettern Platz und leider lief danach nichts mehr so wie vorgenommen. Nach und nach gingen alle Schwarz-Partien verloren und an den Brettern mit den weißen Steinen verließ die Stellung trotz geradezu verzweifelter Gewinnversuche nie die Remis-Breite. Ganz kurzfristig nur kam so etwas wie Hoffnung auf, als IM (Internationaler Meister) Timothe Razafindratsima mit den schwarzen Steinen in einer wilden Partie gegen den niederländischen GM (Großmeister) Thomas Beerdsen zwischenzeitlich ein paar Züge besser stand, bevor das Schlachtenglück sich wieder zur anderen Seite neigte.

Er hatte immerhin einmal eine reelle Chance, während die Partien von GM Paulius Pultinevicius, GM Petr Neuman und FM (FIDE-Meister) Jachym Nemec sich zu einem Spiel auf ein Tor entwickelten, leider auf das falsche. Pultinevicius stand gegen den ehemaligen deutschen Nationalspieler GM Daniel Fridman schon in der Eröffnung unter ständigem Druck, verteidigte sich noch eine ganze Zeit sehr präzise gegen die ständigen Drohungen und verlor dann doch den Überblick in der Zeitnot. Diese wurde auch Neuman gegen IM Patrick Zelbel zum Verhängnis, dessen zwei Türme ständig auf eine Bauernschwäche drückten. Irgendwann übersah Neuman eine taktische Drohung und mit dem Verlust des entscheidenden Bauern war auch die Partie vorbei. Lediglich Nemec konnte sich gegen GM Daniel Hausrath über die Zeitnot retten und wehrte sich danach noch weitere zwanzig Züge gegen die ständigen Drohungen gegen seinen ungeschützt stehenden König. Hausrath spielte aber schlicht fehlerlos und gewann nach einem sehenswerten eigenen Königsmarsch in die feindliche Stellung.

Von den mit Weiß Spielenden hatte lediglich GM Valeriy Kazakovskiy am Spitzenbrett gegen den nominell deutlich besseren GM David Navarra so etwas wie eine Chance auf Gewinn. Obwohl der Mannschaftskampf bereits verloren war, knetete er die nur leicht bessere Stellung noch stundenlang. Super-Großmeister wie Navarra sind aber nicht nur besser im Angriff, sondern auch zähe Verteidiger. Dies musste der Mergentheimer nach einer von beiden Seiten extrem präzise geführten Partie im 79. Zug anerkennen und man reichte sich die Hand zur Punkteteilung.

Am Sonntag hieß der Gegner Kirchweyhe, nominell sogar stärker als Mülheim, gegen die man gerade mit 2:6 unter die Räder geraten war. Die Stimmung in der Mannschaft war dennoch gut und tatsächlich zeichnete sich anfangs ein ähnlicher Verlauf ab wie am Vortag, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Mit Weiß stand Bad Mergentheim gut, mit Schwarz schien nichts anzubrennen. GM Pultinevicius am zweiten und FM Nemec am achten Brett standen gegen GM Ante Brkic und IM Tobias Kügel sogar recht schnell komplett auf Gewinn, den sie souverän realisierten. Die zwei wild herumhüpfende Springer von Nemec im Zusammenspiel mit zur Dame laufenden Freibauern waren dem Turm seines Gegners klar überlegen und gewannen die Partie geradezu simpel. Bei Pultinevicius ging es noch schneller: Zwei gut postierte Türme unterstützten den Vorstoß mehrerer Zentrumsbauern, die seinen Gegner schon ausgangs der Eröffnung kapitulieren ließen. Man sah es dem strahlenden litauischen Neuzugang direkt an, wie dieser souveräne Sieg das nach drei Niederlagen ramponierte Selbstvertrauen wieder ins Lot brachte.

Wie aus dem Nichts kippte dann der Mannschaftskampf. Erst glichen zwei sich ungewohnt früh abzeichnende Weiß-Niederlagen von IM Razafindratsima an Brett Vier und GM Neuman an Brett 6 den Mannschaftskampf aus. Razafindratsima schätzte seine Stellung zu lange zu gut ein und vergaß gegen GM Markus, rechtzeitig von Angriff auf Verteidigung umzuschalten. Neuman wurde von GM Jovanovic in einer scharfen Stellung mit unterschiedlichen Rochaden lehrbuchhaft von einer Bauernwalze glatt zusammengeschoben. Dann verlor auch noch IM Vlasak seine Partie durch einen klaren Fehler genau in dem Moment, als er sie gerade ausgeglichen gestaltet hatte.

Da half es auch nichts, dass am ersten Brett GM Kazakovskiy mit GM Saric wieder einen Super-Großmeister an den Rande der Niederlage bringen konnte, diesmal sogar mit den schwarzen Steinen. Es reichte wieder nicht ganz und folgerichtig ging der Mannschaftskampf knapp und unglücklich mit 3,5:4,5 verloren.

Nach diesen beiden Niederlagen gegen direkte Konkurrenten im Abstiegskampf wird es für die mit drei aus vier Punkten so gut gestarteten Schachfreunde verdammt schwer, die Klasse in der stärksten Schachliga der Welt zu halten. Es sind bereits acht der vierzehn Runden gespielt und das Restprogramm ist mit nahezu ausschließlich mit Spielern der Welt-Elite gespickten und realistischerweise nicht schlagbaren Spitzenteams denkbar schwer. Dennoch steht Bad Mergentheim mit 4 Punkten von 16 möglichen noch nicht einmal auf einem Abstiegsplatz. Wenn Tabellennachbar Heimbach in der nächsten Runde in drei Wochen geschlagen wird, könnte es sogar dabei bleiben.

06.05.2025